Orgelbaukunde

 

I. Die Hauptteile der Orgel
Die Orgel gehört einerseits zur Instrumentenfamilie der Aerophone (Blasinstrumente), andererseits zu den Tasteninstrumenten, da die Klangerzeugung der Orgelpfeifen durch eine oder mehrere Tastaturen gesteuert wird.

Sie besteht aus folgenden Hauptteilen:

  1. Winderzeugung
2. Windladen
3. Traktur
4. Spieltisch
5. Pfeifen
 

DIE WINDERZEUGUNG
Die Luft, durch die die Orgelpfeifen zum Klingen gebracht werden, wird durch einen mittels Elektro-Motor angetriebenen Ventilator erzeugt (früher durch einen „Schöpfbalg,
der mit einer Tret-Vorrichtung betätigt wurde). Von diesem Gebläse wird die Luft, die auf einen bestimmten Winddruck 1 reguliert wird, durch Windkanäle den Windladen zugeführt, denen Magazin-Bälge zugeordnet sind, damit stets genügend Wind zur Verfügung steht. Der Belebung des Orgelklangs, besonders bei Solo-Registrierungen, dient der „Tremulant“ (2) Von lat. tremere = zittern), eine Einrichtung, die dem Orgelwindstöße gibt und den Ton dadurch in Bebung versetzt.
 

2. DIE WINDLADEN
Diese haben die Aufgabe, den aus dem Gebläse kommenden Wind den Registern und den einzelnen Tönen zuzuführen: Jede Orgel hat mindestens so viele Windladen wie Tastaturen: Zu jedem Manual und zum Pedal gehören je eine, bei sehr großen Orgeln auch zwei oder mehr Windladen. Innerhalb dieser meist aus Holz gebauten Windladen ist eine zweifache Steuerung des Windes erforderlich, damit nur die Pfeifen erklingen, die der Spieler (durch Tastenanschlag und Registerzug) erklingen lassen will. Hierfür gibt es im" wesentlichen zwei Systeme:  

a) die Tonkanzellenlade (Schleiflade, Springlade)
b) die Registerkanzellenlade (Kegellade, Membranlade, Taschenlade).

Wenn wir eine Orgel von vorne betrachten und uns vorstellen, dass die Pfeifen eines Registers in einer Reihe, die Pfeifen der anderen Register genau dahinter stehen, so er- geben sich folgende zwei Möglichkeiten, diese doppelte Steuerung vorzunehmen:

a) Bei der Tonkanzellenlade werden sämtliche gleichen Töne hintereinander - also in Blickrichtung von vorn nach hinten - auf einen schmalen Windgang, Tonkanzelle genannt, gestellt. Das für diese Tonkanzelle bestimmte und damit unter den Kanzellen befindliche Spielventil gibt den Wind für denselben Ton aller Register frei. Welche Register auf diesem Ton erklingen sollen, darüber entscheidet bei der Schleiflade die unter den Pfeifenreihen - also von links nach rechts - verschiebbare Schleife, eine lange, flache Leiste mit ebenso vielen Lochbohrungen, wie Töne vorgesehen sind (im Manual meist 56, im Pedal 30). „Gezogen“ gibt die Schleife die Pfeifenlöcher frei, „nicht gezogen“ versperrt sie diese (vgl. Zeichnung). Die Schleiflade ist eine alte Windladenkonstruktion und wird wegen ihrer klanglichen Qualitäten heute bevorzugt. Die Verschmelzung der Töne verschiedener Register untereinander ist besonders gut und zeichnet daher im polyphonen Spiel die musikalischen Linien deutlich. Die An- und Absprache der Töne wirkt frisch und lebendig.

Die Abstrakte  (Zugvorrichtung, von Iat. trahere = ziehen), die von der Taste des Spieltisches aus angezogen wird,  betätigt das Tonventil A. Nun kann der Wind von der Windkammer in die Tonkanzelle B einströmen; in die einzelne Pfeife kann der Wind erst gelangen, wenn die Schleife C ihm den Weg freigibt (Schleife punktiert dargestellt). Bei der selten vorkommenden Springlade betätigen  die Registerzüge Klappventile unter jeder Pfeifenbohrung, die durch eine Registerleiste geöffnet werden.

b) Bei der Registerkanzellenlade stehen alle Pfeifen eines Registers auf einem in Längsrichtung - normalerweise von links nach rechts verlaufenden - Windgang, der Registerkanzelle. Am Ende der Kanzelle befindet sich das Registerventil, durch das die Windzufuhr zum Register geregelt wird.

Zu den einzelnen Tönen kann der Wind aber erst gelangen, wenn Ventile von der Tastatur her geöffnet werden, die sich unter jeder Pfeifenbohrung befinden. Diese Ventile sind bei der Kegellade kleine Kegel, die in trichterförmigen Bohrungen sitzen und angehoben werden; bei der Taschenlade kleine, durch Federn angedrückte Ledertäschchen; bei der Membranlade Ledermembranen, die die Pfeifenöffnung verschließen oder freigeben. Die Kegellade ist die bewährteste der Registerkanzellenladen. Sie ergibt durch das Zusammenfassen aller Töne eines Registers eine gute harmonische Verschmelzung, ist also eine der harmonisch ausgerichteten Musik des 19. Jh. angemessene Erfindung. Wird die Abstrakte durch Tastendruck angezogen, so dreht sich die Welle E und hebt mit ihren Ärmchen die Kegel bei F an. Wenn in der Kanzelle F durch Registerzug Luft ist, strömt diese durch G in die darüber stehende Pfeife. Ist die Traktur pneumatisch oder elektropneumatisch, so muss man sich statt der Welle E unter  jedem Kegelstecher ein Bälgchen denken. Wenn sich dieses Bälgchen mit Wind füllt, wird das Kegelventil. angehoben.

3. DIE TRAKTUR  (Lat. tractura = Zugvorichtung)
Sie stellt die Verbindung zwischen Spieltisch und Windladen her: Die Spieltraktur verbindet die einzelnen Tasten mit den Ton-Ventilen, die Registertraktur die Registerzüge mit den Schleifen (bzw. Registerventilen). Die Traktur kann mechanisch, pneumatisch oder elektropneumatisch sein.

a) Die mechanische Traktur
Sie besteht aus Abstrakten (Zugruten, die in der Regel aus Holz gefertigt sind; neuerdings werden auch andere Materialien wie zum Beispiel gehärteter Aluminiumdraht verwendet), aus Winkeln zur Ausführung von Richtungswechseln - aus der Horizontalen in die Vertikale -, Wellen zur Verzweigung der Traktur von der Tastatur- breite auf die Windladenbreite. Die Regulierung der Abstrakten zur Vermeidung von überflüssigem Leergang oder zu straffer Anspannung erfolgt mittels Stellmuttern, die auf Drähten mit eingeschnittenen Gewinden eingeschraubt sind. Die mechanische Traktur hat den wesentlichen Vorteil, dass der Spieler durch die Gleichzeitigkeit von Tastendruck und Ventilöffnung die Tongebung ganz unmittelbar in der Hand hat. Auch lässt sich eine Beeinflussung der Tonansprache bei weicherem oder härterem Anschlag beobachten. Die mechanische Traktur geht naturgemäß nicht ganz leicht, besonders bei gekoppelten Manualen; deswegen werden bei Großinstrumenten heute die Koppeln gern elektrisch eingerichtet.

b) Die pneumatische Traktur
Sie wurde im 19. Jh. erfunden und bedeutete mit ihrer leimten Spielbarkeit als Reaktion  auf die damals schwergängigen Mechaniken einen Fortschritt. Die Arbeitsleistung des Anhebens der Ventile geschieht hier mittels Luftdruck des sog. Spielwindes, der in Bleiröhren mit ca. 8 mm ø strömt. Nicht nur wegen der leichteren Spielbarkeit, sondern vor allem wegen der damit verbundenen Erfindung der Spielhilfen (feste und freie Kombinationen war die pneumatische Traktur epochemachend. Sie hat in der Registertraktur heute noch eine gewisse Bedeutung.
Als Spieltraktur ist sie heute wegen ihrer verspäteten Ansprache und Absprache vollkommen überlebt; auch stellen sich der Reparatur der Lederbälgchen unrentable Schwierigkeiten in den Weg. Gelegentlich wird noch der Barkerhebel (nach dem Erfinder Barker benannt), eine pneumatische Vorrichtung zur Erleichterung der Spielbarkeit der Mechanik bei gekoppelten Manualen, in drei- oder viermanualigen Orgeln angewandt.

c) Die elektrische bzw. elektropneumatische Traktur
Sie wurde zu Beginn unseres Jh. erfunden und spielt heute eine wesentliche Rolle. Hinter der Taste wird mittels Exzenter oder Kontaktblock ein Stromkreis geschlossen (Schwachstrom von 12-16 Volt). Ein Magnet betätigt das Pfeifenventil, entweder direkt (z. B. das Tonventil bei der Schleiflade) oder indirekt über ein pneumatisches Zwischenglied (so insbesondere bei der Kegellade). Wenn auch die elektrische Traktur durch die Tätigkeit des Magneten eine Unterbrechung der direkten Traktur und eine kleine Verzögerung mit sich bringt, so hat sie doch den Vorteil der leichten Gangbarkeit: sie überwindet mühelos Wege und Winkel, da die Abstrakten durch Schwachstromdrähte ersetzt sind, und ist somit für große Orgeln besonders geeignet. Als Registertraktur ermöglicht sie die Einrichtung aller erdenklichen Spielhilfen (-> unten). Aus diesem Grunde kombiniert man gerne mechanische Spiel- mit elektrischer Registertraktur.

4. DER SPIELTISCH
Vom Spieltisch aus wird die gesamte Traktur gesteuert. Er kann als „Spielschrank“ in die Orgel eingelassen sein oder - so in der Regel bei kleineren mechanischen Instrumenten - sich unmittelbar an das Orgelgehäuse anschließen, um die Trakturführung möglichst einfach gestalten zu können. Der Spieltisch kann auch freistehend von der Orgel abgerückt und - bei vollelektrischer Traktur - fahrbar gemacht werden. .
Der Spieltisch hat so viele Tastaturen wie die Orgel Werke besitzt. Setzt diese sich beispielsweise zusammen aus Hauptwerk, Oberwerk, Rückpositiv und Pedalwerk, so hat jener drei Manualtastaturen (Lat. manualis = mit der Hand) und eine Pedaltastatur (pedalis = mit dem Fuß zu betätigen).
Drei Manuale haben in der Regel einen Umfang von C-g3, das Pedal von C-f1 (bei großen Konzertorgeln bis g1). Obwohl dieser Tastaturumfang kleiner ist als der eines Klaviers, besitzt die Orgel einen größeren Tonumfang nach unten 'durch die 16'- und 32'- Register, nach oben durch die hohen Obertonregister wie 2' und l' (zu den „Fuß-Bezeichnungen).
Die Registersteuerung wird vom Spieltisch aus mittels Registerzügen (bei mechanischer Traktur) oder Register-Kipptasten (bei pneumatischer oder elektrischer Traktur) betätigt. Den Hauptregisterzügen (Handregister genannt) sind bei elektrischer Registertraktur sog. freie Kombinationen zugeordnet, die es dem Spieler ermöglichen, außer der Handregistrierung weitere Registrierungen vorzubereiten und sie dann durch einen Sammelknopf oder -tritt einzuschalten. Diese Kombinationen schalten entweder die Handregistrierung ab oder können zu dieser hinzugezogen (addiert) werden. Durch „Absteller“ können Registergruppen ausgeklammert werden (z. B. Handregister ab, Zungen ab, 16'-Register ab und dgl.). Ein Fußtritt dient dem Offnen oder Schließen des Jalousieschwellers: In der Regel steht das Pfeifenmaterial eines Werkes der Orgel (Schwellwerk) in einem Holzkasten, dessen dem Raum zugewandte Seite durch vertikale (seltener horizontale), bewegliche Jalousien einen schwächeren oder stärkeren Austritt des Klangs ermöglicht. Diese im Spätbarock; aufgekommene Schwelleinrichtung ist eine Hilfe zur Belebung des sonst dynamisch statischen Pfeifentons. Sie hat besondere Bedeutung bei der Abwägung des Klangverhältnisses von Solo- zu Begleitregistrierungen.
Der Rollschweller (Walze) betätigt eine automatische Registrier- Vorrichtung (heute meist nach Belieben frei einstellbar), die die einzelnen Register von der leisesten 8'-Stimme bis zum vollen Tutti der Orgel sorgfältig dynamisch gestuft nacheinander eintreten lässt. Sie ist im 19. Jh. erfunden worden. Da Übergangs-Crescendo und -Diminuendo an sich dem terrassen-dynamischen Wesen der Orgel fremd sind, wird man mit dem Gebrauch des Rollschwellers vorsichtig sein. In Verbindung mit einer aufhellenden oder färbenden Handregistrierung kann er - stufenweise verwendet zum Auffüllen und Steigern des Klangs, auch zum Beibringen der Koppeln - die Beherrschung der dynamischen Skala einer Orgel erleichtern.
Als feste Kombinationen, die der freien Registerwahl des Spielers entzogen sind, finden sich auf älteren Orgeln Züge wie piano, mezzoforte, forte, Tutti. Heute baut man Gruppenzüge wie Vorpleno, Pleno, Generaltutti für die einzelnen Werke und die gesamte Orgel.

5. DIE PFEIFEN
Die sehr vielfältig gestalteten Klangerzeuger der Orgel, die Orgelpfeifen, sind in chromatisch oder mitunter in Ganztonreihen (dann auf DC- und Cis-Seite aufgeteilt) angeordneten "Registern" auf die Pfeifenstöcke der Windladen gestellt. Meist steht jedes Teilwerk der Orgel in einem eigenen Gehäuse. In der dem Raum zugewandten Sichtseite, dem Prospekt oder der Pfeifenfront der Orgel, kann jeweils eine solche Pfeifenreihe - meist ein Metall-Prinzipal-Register - gezeigt werden, hinter der dann die übrigen Register aufgestellt sind, so dass die jeweils gleichen Töne hintereinander stehen.

 

Exkurs: Die Bezeichnung der Tonhöhe der Orgelregister: Ein Ton setzt sich zusammen aus dem Grundton und Obertönen.
Im Orgelbau bezeichnet man: den Grundton zweckmäßigerweise als 1. Teilton. Die weiteren Teil-(Ober-)Töne sind: Oktav, Quint; Oktav, Terz, Quint, Sep- time (in der nächsten Oktav); Oktav, None, Terz, Quart, Quint usw. (in der übernächsten Oktav). Der Abstand von Teilton zu Teilton wird nach oben also immer kleiner. Aus dieser Gesetzmäßigkeit ergeben sich im Orgelbau die Bezeichnungen der Tonhöhe nach „Fuß“ (Die Bezeichnung „Fuß“ dargestellt mit dem Zeichen ') ist ein altes Maß, das die Länge von rund 32 cm bezeichnet und in England und Amerika als .foot- noch heute gebräuchlich ist. Es bedeutet, dass bei einem Register 8' eine offene Labialpfeife C die Länge von 8 Fuß (rund 2,5 m) hat. Allgemein hat sich die 8'-Lage als Normallage eingebürgert, d.h. hier entspricht der Klang dem Notenbild.) auf folgende Weise:

auf 8'-Basis

auf 4'-Basis

auf 16'-Basis

Grundton: Teilton = Fußzahl

dto.

dto.

8':1=8'

4':1=4'

16':1=16'

8':2=4'

4':2=2'

16':2=8'

8':3= 2 2/3'

4':3=1 1/3

16':3=5 1/3'       

8':4=2'

4':4=1'

16':4=4'              

8':5=1 3/5'

4':5=4/5'

16':5=3 1/5'

8':6=1 1/3'

4':6=2/3'

16':6=2 2/3'

8':7=1 1/7

4':7=4/7'

16':7=2 2/7'           

8':8=1'

4':8=1/2’

16':8=2'

8':9= 8/9'

4':9= 4/9'

16':9=1 7/9'


Der Bauart und Tonerzeugung nach unterscheidet man Labial-(Lippen-) und Lingual- (Zungen-)Pfeifen. Die ersteren bilden den überwiegenden Teil des Pfeifenmaterials.

a) Die Labialpfeifen (Lippenpfeifen)
Sie werden aus Zinn-Blei-Legierungen, dem sog. Orgelmetall, mit 30-70 % Zinn gefertigt. Auch Kupfer, das älteste im Pfeifenbau verwendete Metall, und Zink (wenig geeignet) kommen vor. Mache Register (Subbass, offene und gedeckte Flöten u. a.) werden aus Holz gebaut. Man verwendet dazu Eiche, Kiefer und gelegentlich Edelhölzer.

Darstellung der Bauform und Tonerzeugung einer (offenen) Labial- pfeife:
Bei 1 tritt der Orgelwind beim Offnen des Ventils in den Pfeifenfuß 2; der Pfeifenfuß ist durch den Kern 4 vom Pfeifenkörper 6 getrennt.. Bei 3 ist eine schmale Spalte, die Kernspalte, durch die der Wind in Form eines schmalen Luftbandes strömt. Dieses Luftband trifft bei 5 auf die Unterkante des Oberlabiums (Oberlippe), wo die sogenannten Schneidentöne entstehen, die sich als schwingende Luftzunge auswirken und die im Pfeifenkörper 6 stehende Luftsäule in Schwingung versetzen. Die Öffnung der Pfeife zwischen Unter- und Oberlabium, ihren „Mund“, nennt man Aufschnitt (5). Die Tonhöhe bei den Lippenpfeifen wird durch die Länge des Pfeifenkörpers bestimmt und kann durch Stimmvorrichtungen (Stimmschlitz, Stimmring, auf der Abb. Stimmrolle 7) genau einreguliert werden
.

Für Tonhöhe, Klangfarbe und Lautstärke sind die Maßverhältnisse, die Mensuren (Lat. mensura = Abmessung  ) einer Pfeife maßgebend. Die wichtigste Mensur bei der Labialpfeife ist die Weitenmensur, das Verhältnis von Pfeifenlänge, durch die die Tonhöhe bestimmt ist, zur Pfeifenweite: je enger die Pfeife, desto obertöniger und dadurch charakteristischer, je weiter, desto obertonärmer und daher vermischungsfähiger ist der Ton.
Die Labien-(Lippen-)Mensur, d.h. das Verhältnis von Labienbreite zu Pfeifenweite hat Einfluß auf die Lautstärke (Erregungsstärke): je 1 breiter die Labien, desto kräftiger, je schmäler, desto milder ist der Klang. Die Aufschnitt-Mensur ist das Verhältnis von Aufschnitthöhe zu Labienbreite. Sie bestimmt neben der Weitenmensur '(- oben) die Obertönigkeit (Klangfarbe) der Pfeife: je niedriger der Aufschnitt, desto schärfer und obertöniger, je höher, desto dunkler; oberton ärmer ist der Ton.

Die Labialpfeifenformen und ihre klanglichen Eigenschaften

1. ZYLINDRISCH OFFENE PFEIFEN
Sie bilden den Hauptbestandteil des Pfeifenmaterials einer Orgel. Zylindrisch bedeutet, dass der klingende Teil der Pfeife (Pfeifenkörper) oben so weit ist wie unten. gleichgültig ob die Pfeife aus Metall gebaut ist mit rundem oder aus Holz mit rechteckigem Querschnitt (es gibt auch runde hölzerne Pfeifen). Mit breiten Labien versehen ergibt diese Pfeifenart den obertonreichen und kernigen Klang der Prinzipale, Oktaven, Mixturen, also den für die Orgel typischen „Pleno“ – Klang  (Prinzipal- und .Oktave- sind in verschiedener Tonhöhe die- selbe Registerart, wobei die tiefste in einem Werk vorkommende Lage mit „Prinzipal“, die höhere mit „Oktave“ bezeichnet wird. Mit „Praestant“ wird ein im Prospekt stehendes Register bezeichnet (von lat. praestare = vorne stehen)).
Die Mixtur ist das für eine Orgel charakteristischste und eigenartigste Register. Sie fasst hohe Obertöne in mehreren Pfeifenreihen (Chören) zusammen und wird daher auch „Klangkrone“ genannt. Eine Mixtur repetiert in ihrem dem Tastenumfang entsprechen- den Verlauf mehrfach, um die Tonhöhengrenze nicht zu übersd1reiten.
Ein Beispiel des Obertonaufbaus einer Mixtur 4fach möge dies veranschaulichen:

C=        1 1/3'    + 1'                  +          2/3'       +          1/2'
c =       2'          + 1 1/3'             +          1'          +          2/3'
c1=       2 2/3'    + 2'                  +          1 1/3'    +          1'
c2=       4'          + 2 2/3'            +          2'          +          1 1/3'
c3=       4'          + 2 2/3'            +          2 2/3'    +          2'

Höhere Lagen der Mixtur heißen Scharf oder Zimbel. Die letzteren können auf C mit l' oder 2/3' oder noch höher beginnen und müssen dann entsprechend oft repetieren. Tiefere Lagen der Mixturen kommen im Pedal etwa als .Hintersatz- vor; sie bedürfen keiner Repetition wegen des geringeren Tonumfangs im Pedal. Eine besondere Bedeutung haben die Mixturen bei der Aufhellung der tieferen Stimmen im polyphonen Satz. Zylindrisch offene Pfeifen mit größerer Weitenmensur und schmaleren Labien ergeben einen fIötigeren, weicheren Klang als die Prinzipale (Holzflöte;' Flöte, Hohlflöte). Man rechnet diese Register zum Weitchor (-> unten). Verringert man die Weitenmensur, so dass sie enger wird als die der Prinzipale, wird der Ton der Pfeifen ähnlich dem von Streichinstrumenten, d. h. sehr schlank und obertönig; dabei kommt es auch wesentlich auf breite Labiierung und niedrigen Aufschnitt an. Während das 18. und 19. Jh. so charakterisierte Klänge entwickelten und bevorzugten, ist man in unserer Zeit wieder von ihnen abgekommen in Anerkennung der Orgel als Blas-Instrument, das nicht die Aufgabe haben kann, den Orchesterklang mit dem vor- herrschenden Streimerton zu imitieren. Immerhin seien wenigstens die wichtigsten Register der Engchor-Familie. genannt: Geigenprinzipal, Viola da Gamba, Violoncello, Violine, Aeoline (sehr eng), Voix celeste (als Schwebe-Stimme)und Salizional, welch letzteres mit nicht allzu enger Mensur auch heute noch gern als sd11anke Begleitstimme gebaut wird.

2. ZYLINDRISCH GEDECKTE PFEIFEN (Weitchor)
Sie benötigen nur die halbe Pfeifenlänge. um die Tonhöhe einer offenen Pfeife zu er- zeugen. Ein 8'-Register hat also bei gedeckten Pfeifen nur 4'-Länge. Darum baut man, um Höhe zu sparen, vor allem den Subbass 16' in dieser Art. Die gedeckten Pfeifen entwickeln weniger Obertöne, und zwar die ungeradzahligen, weswegen sie dunkler, stiller und hohler klingen als offene (Gedeckt, GedecktfIöte u. a.); die ebenfalls gedeckte Quintade dagegen hat einen die Quinte betonenden, prägnanten Klang. Es sind beide Schreib- weisen üblich: Gedeckt und Gedackt.
Die .Deckung- der Labialpfeifen erfolgt durch einen .Hut- (bei Metallpfeifen), der mittels eines Filzrings dem Pfeifenkörper satt anliegt und dennoch zur Stimmung der Pfeife verschiebbar ist. Holzpfeifen werden mit einem in die Pfeife eingelassenen ..Spund" gedeckt, der mit Leder umkleidet, ebenfalls im Pfeifenkörper von oben nach unten verschoben werden kann. Halbgedeckte Pfeifen haben im Hut bzw. Spund Öffnungen, meist in Form eines Röhrchens, das dem .gedeckten" Klang wieder gewisse Obertöne beimischt. Sie klingen etwas frischer als Gedeckte. Beispiele: Rohrflöte, Rohrgedeckt.

3. KONISCHE PFEIFEN
Sie sind unten weiter als oben, jedoch oben offen (Ausnahme: Spitzgedackt). Je nach der Neigung der Pfeifenwände ist ihr Klang heller oder verhaltener. Die konischen Pfeifen stellen eine große Familie dar, die von der engen Spitzgambe über Spitzflöte, Gemshorn, Flachflöte, Waldflöte zur weiten Blockf!öte reimt.

Auch Aliquote (Lat. = eine gewisse Anzahl; im Orgelbau werden mit dem Begriff "Aliquote- einzeln gebaute Oberton-Register bezeichnet, z.B. Quinte 2 2/3, Terzflöte 1 3/5'.) werden gern aus konischen Pfeifen gebaut. Oft zeigt die Vorsilbe „Spitz-„ (Spitzflöte, Spitzquinte) oder „Gems-„ (Gemsnasat) die konische Bauart an.

4. TRICHTERFORMIGE PFEIFEN
Sie sind unten enger als oben und haben einen eigenartig hellen, bisweilen geschärften Klang; sie kommen vorwiegend als Dulzflöte, labialer Dulzian und Dolkan vor.

 

b) Die Lingualpfeifen (Zungenpfeifen)

Bei den Zungenpfeifen entsteht der Ton durch ein schwingendes Metallblatt, die sog. Zunge, und wird durch einen Schallbecher ver- stärkt und in den Obertönen beeinflusst. Bei der Zungenpfeife sind Stiefel und Schallbecher aus Orgelmetall (-> oben), Kupfer, Holz oder Zink. Die Zunge wird aus Messing oder Phosphorbronze, die Kehle aus Messing, Bronze, Zink oder Zinn angefertigt, der Kopf aus Blei, der Keil aus Holz.
Mit Zungenstimmen (Zungen-Registern) lassen sich sowohl die kräftigsten und schmetterndsten wie auch die apartesten und zartesten Klänge erreimen. Wegen ihrer besonderen Klangeigenschaften sind sie in der Minderzahl. Da sie gegenüber den Labialen, die in der Stimmung bei wärmerer Lufttemperatur steigen und bei kälterer fallen, in der Stimmung fast konstant bleiben, bedürfen sie öfters des sog. Beistimmens.
Die Mensurierung der Zungenregister ist noch vielfältiger und verwickelter als die der' Lippenpfeifen, und selbst bei Orgelbauern ist deren Kenntnis und bauliche Anwendung Spezialisten vorbehalten.

Die Bauart der Zungenpfeifen ist äußerst vielfältig; sie lässt sich vereinfacht folgendermaßen einteilen:

1. Trichterförmige, langbecherige Zungenpfeifen
Sie ergeben kräftigschmetternde Töne und gehen wegen ihrer „vollen Becherlänge“ (z.B. bei 8'-Klang 5 1/3' Länge) in der Stimmung aum einigermaßen mit den Labialen. Bsp.: Trompete 8', Posaune 16', Oboe 8' u.a.
2. Zylindrische, langbecherige Zungenpfeifen Sie klingen in Anbetracht ihrer ziemlich engen Schallbecher mehr schnarrend. Bsp.: Krummhorn, Dulzian, Zink.
3. Halbgedeckte oder gemischte Formen langer Becher Bsp.: Schalmey, Rohrschalmey.  
4. Kurzbecherige Zungenpfeifen, die sog. Regale

 

Schnitt durch eine Zungenpfeife: Bei 1 tritt der Orgelwind in den Fuß (Stiefel) und trifft bei 2 auf die leimt aufgebogene (aufgeworfene) Zunge, die in Schwingung versetzt wird. Die Zunge liegt auf der Kehle (Kölle) 3 und wird vom Keil 5 festgehalten. Kehle 3 ist durch die Nuß (Kopf) 7 gebohrt und mündet oben in den Schallbecher 4. Mit Hilfe der Krücke 6 wird die Zunge gestimmt, und zwar durch Verkürzung (höher) oder Verlängerung (tiefer) ihres frei schwingenden Teils.
 


Ihre kurzen Becher sind nicht auf den Ton abgestimmt, sondern ergeben nur eine bestimmte klangliche Färbung. Ihre bauliche und klangliche Vielfalt ist sehr groß; es lassen sich mit ihnen die interessantesten Klänge erzeugen, z.B. Vox humana (Lat. = menschliche Stimme), Bärpfeife, Trichterregal u. v. a. Dom sind sie meist heikel in der Intonation; sie gehen mit den Stimmungsschwankungen der Labiale am wenigsten mit.

Übersicht über die wichtigsten Pfeifenformen der Orgel

a) Labial- oder Lippenpfeifen
  1 Prinzipal 5 Spillpfeife 9 Spitzgedackt  
  2 Weitflöte 6 Dolkan 10 Holzprinzipal  
  3 Viola da Gamba 7 Gedeckt 11 Holzgedeckt  
  4 Gremshorn 8 Rohrflöte 12 Spillpfeife auf Holz  
b) Lingual- oder Zungenpfeifen
  13 Trompete 17 Dulzian 21 Offenes Trompetenregal  
  14 Schalmey 18 Musette 22 Vox humana  
  15 Oboe 19 kurzbecheriges Regal 23 Rankett  
  16 Krummhorn 20 Doppelkegelregal 24 Bärpfeife  
 

II. Registrieranweisungen
Es gibt dreierlei Registrierprinzipien:

1. Pleno-Registrierungen (für mehrstimmiges Spiel und für kräftige Einzellinien),
2. Solo-Registrierungen (vornehmlich für Einzellinien),
3. Grundregister-Mischungen (zu Begleitzwecken und zu leisem akkordischem Spiel).

Während herkömmlicherweise die Registrierungen säuberlich nach diesen Typen getrennt dargestellt werden, soll im Folgenden versucht werden, sie ganz praktisch von unten nach oben und von leise nach laut aufzubauen. Dabei wird an Hand des "Registrier-Baumes" auch das Ineinandergreifen der Registriergruppen und damit die ganze Vielfalt der Möglichkeiten deutlich.
 

1. Aufbau zum Pleno (mit prinzipalischer Spitze)
Für polyphones und akkordisches Spiel, auch für (kräftige) Einzel-Linien:
  Gedeckt 8' oder Flöte 8' = Fundament im Manual, zugleich Möglichkeit für leises Spiel und Begleitung (stiller Grundklang).
  + Rohrflöte 4' = heller und ergiebiger (Grundregistermischung)
  + Prinzipal  2'
(Oktav 2')
= Kleinstfall des Pleno (Vorplenum). Typisch für das Pleno ist (Oktav 2') die prinzipalische Klangspitze. Dabei können, wie ersichtlich, die tieferen Lagen stellvertretend durch Gedeckte und Flöten besetzt sein.
  + Prinzipal 4' (Oktav 4')
+ Quinte 2 2/3') 
 } einzeln oder zusammen: dichteres kleines Pleno
  + Mixtur und Prinzipal 8' = volles Pleno eines Werkes. Die Mixtur erfordert in der Regel den stabilen Grund von Prinzipal 8'. Weitchorregister 8' und 4' können neben den Prinzipalen Stehen.
  8' + 4' + 2' + 1' + Scharf = helleres Pleno.
Weitere Möglichkeiten durch Koppeln.

2. Aufbau zu Soloregistrierungen (Weitchor)

vornehmlich für Einzelstimmen:
  Gedeckt 8'

= Klanggrundlage

  + Flöte 4' = Grundregistermischung
  + Quinte 2 2/3' = quintierende, etwas nasal klingende Färbung
  + Flöte 2' = Aufhellung
  + Terz 1 3/5' = bis hierher "Kornett Sfad1-, als charakteristische Aliquot-Bündelung auch als ein Register anzutreffen, bes. im
   frz. Orgelbau.
  + Septime 1 1/7'  
+ Flöte 1'
= zungenähnliche Färbung
= deutliche Aufhellung
 

Bis hierher reimt die gebräuchliche Oberton reihe, die aber nur bei teil weiser Verwendung, mit Aussparungen, ihre Reize entwickelt, siehe die folgenden klassischen Aliquot-Bündelungen, die mit 8'- oder 8'+4'-Fundament verwendbar sind:

  Sesquialter  
Rauschpfeife
Hörnlein   
Terzian
= 2 2/3' + 1 3/5' (= Paletta)
= 2 2/3' + 2'
= 2’ + 1 3/5’
= 1 3/5' + 1 1/3'
 
Dieser Bestand wurde in neuerer Zeit durch weitere Aliquot-Bündelungen noch erweitert, z. B.:


 
Septimen-Sesquialter
Terz-None
Terz-Sept
= 2 2/3' + 1 3/5' + 1 1/7'
= 1 3/5' + 8/9'
= 13/5' + 11/7'


Andere Mischungen haben keine besonderen Bezeichnungen, werden jedoch häufig gebraucht, wie etwa:

          8' + 2' oder heller: 8' + 2' + 1’ für leichtflüssiges Laufwerk
          8' + 4' + 1 1/3' oder heller: 8' + 2' + 1 1/3'
          8' + 1 3/5' + 1', das sog. Carillon (Frz. = Glockenspiel)

Durch Mitverwendung prinzipalischer Stimmen in den geraden Fußlagen zu derartigen Mischungen kann eine Schärfung des Klangs bei geminderter Farbkraft und damit ein Übergang zu einem mehr oder weniger farbigen Pleno erreimt werden. Bei Pleno- und Solo-Registrierungen gilt im Allgemeinen der für die Barockmusik von damaligen Theoretikern aufgestellte Grundsatz, in keiner Fußlage mehr als 1 Register zu ziehen (Äqualstimmen (Von lat. aequus = gleim, ähnlich.) -Verdoppelungs-Verbot). Es gibt aber Stilrichtungen der Orgelmusik, die mit Grundstimmen-Betonung rechnen und für die deren Obergewicht über eine nur behutsame Einfärbung des Klangs mit einzelnen Obertönen wesentlich ist (z. B. frz. Werke des 19. Jh., Max Reger).


3. Registrierungen für Einzelstimmen und akkordisches Spiel mit besonderen Klangabsichten (Grundregistermischungen)

a) Zuspitzung des Klangs

Gedeckt 8' + Prinzipal 2'
Gedeckt 8' + Flöte 2' + Oktave 1'
Gedeckt 8' + Prinzipal 2' + Quinte 11/3'
Gedeckt 8' + Flöte 4' + Prinzipal 2' + Quinte 11/3'
oder mit obertöniger 8'-Basis, etwa Quintade, Pommer, Salizional  

b) "Gleichwertiger" Klangaufbau

d.h. Verwendung von Registern verschiedenerTonhöhen, aber gleichem Klangcharakter
Flöte 8' + Koppelflöte 2'
Weitprinzipal 8' + Schwiegel 2'
Gedeckt 8' + Rohrflöte 4' + Nachthorn 2'
Harfenprinzipal 8' + Geigenprinzipal 4' + Oktave 2'

c) Betonung und „Einfärbung“ des Grundtonklangs für Einzelstimmen und akkordischem Spiel
Gedeckt 8' + Salizional 8'
Gedeckt 8' + Quintade 8' + Flöte 4'
Flöte 8' + Spitzgambe 8' + Rohrflöte 4' + Nasat 2 2/3'
Prinzipal 8' + Gedeckt 8' + Spitzflöte 4' + Quinte 2'/3' + Flöte 2'

d) Registrierungen mit engmensurierten, „streichenden“ Stimmen

Salizional
Spitzgambe
Aeoline
Harfpfeife

 } für leises mehrstimmiges Spiel, vor allem in Begleitungen, und als Beimischung zu anderen Registern (etwa leichte Aufhellung von Gedeckten).

4. Klangaufbau im Pedal
Subbass 16'   = Fundament, wegen Obertonarmut aber allein kaum zu verwenden
 Gedecktbass 16'   = leiseste Möglichkeit mit angekoppeltem Gedeckt 8' o. ä.
+ Flötenbass 8'
+ Flöte 4'
 } = Grundregistermischung, möglichst ungekoppelt
 + Oktavbass 8'      
+ Choralbass 4'
+ Nachthorn 2'
 } = Fundament für kräftige Plenoregistrierung im Manual. Wenn Pedalkoppel notwendig wird, dann zuerst das schwächere Manual ankoppeln, um die Selbständigkeit der Pedallinie möglichst lange zu erhalten .
+ Hintersatz, Rauschbass o. ä. = Pleno
+ Zunge 8', 16', 4'    = C.f.-führende Mischungen
     

5. Einsatz der Zungen-Stimmen
a) Zunge allein Besonders in der vorbarocken Musik üblich, vor allem einstimmig zu spielen für C.f.- Führung.
b) Zungen mit Labialen gemischt
laut - kräftig (für einstimmiges und für akkordisches Spiel)

          Trompete 8'
          + Oktave 4'
          + weitere Obertöne, etwa Rauschpfeife, Kornett
          + 8' -Verstärkung obertönig (Quintatön, Salizional, Prinzipal)
          + Mixtur = Zungenpleno (akkordisch und einstimmig)  

Eindickung durch Beifügung von labialen Grundregistern (8', 4') für besondere Zwecke (z. B. in der frz. Literatur, in der der Einsatz der Zungen stimmen im Plenoklang regelmäßig gefordert wird). leise - apart (vorwiegend für Einzelstimmen)

          Krummhorn 8' + Rohrflöte 4'
          + Obertöne (Nasat 22/3' oder 1'/3' oder Sesquialter oder andere)
          + 8'-Verstärkung obertönig (Salizional, Quintatön)
          + Zimbel = helles Zungenpleno, mit dem auch mehrstimmig gespielt werden kann.  

6. Labial-16' im Manual
a) als Unterlage der Grundregister zum einstimmigen Spiel von Bässen (Generalbass): 16'+8'(+4'); .
b) um das Pleno bei akkordischem Spiel gravitätischer zu machen (großes Pleno -Tutti, hier Einsatz von Manual-Zungenstimmen 16' besonders wirksam); für polyphone Strukturen wie Fugen u. ä. ungeeignet.

7. Verwendung der Koppeln Allgemeine Regeln:
a) Gleichartige Registermischungen sollen nicht durch Koppelung addiert werden (z. B. 8' + 4' + 2' auf I. Manual gekoppelt mit 8' + 4' + 2' von II).
b) Einzelregister oder in sich unselbständige Klänge sollen nicht aus verschiedenen Manualen mittels Koppelzug zusammengesucht werden (z. B. 8' von I + 2' von II + None 8/9' von III). .'
c) Vielmehr sollte man durch die Möglichkeit der Koppelung verschiedenartiger, aber in sich sinnvoller Klangmischungen zu sich ergänzenden Verbindungen kommen. Beispiele:
I 8',4', Mixtur + II 8', 4', 2' (Auffüllen des Pleno) oder
I 8', 4', 2' + II Zunge(n) + Aliquote (Färben des Pleno) oder
Pleno I (dunkel, gravitätisch) + Pleno II (hell, scharf)
Die zu koppelnden Werke sollten räumlich aufeinander beziehbar, also nicht allzu- weit voneinander entfernt sein (bei großen Orgeln zu beachten).

8. Verwendung des Tremulanten
Im einstimmigen Spiel wird der Tremulant zur Belebung einer melodischen Einzelstimme z.B. des C.f. in Choral vorspielen angewandt, wobei er ebenso für Weitchormischungen (Sesquialter, Terzian o. ä.) wie für Zungenstimmen verwendet werden kann.
Mehrstimmiges bzw. akkordisches Spiel mit Tremulant ist nur bei leisem und ruhigem Spiel, etwa mit Gedeckt 8' oder mit Flöten 8' + 4' möglich, oder bei zarten Streichern.
Zu Plenoregistrierungen wird der Tremulant auf keinen Fall gezogen, auch nicht im einstimmigen Plenospiel.

 


IlI. Wesen, Aufbau und geschichtlicher Werdegang der Orgel

1. Wesen der Orgel
Das Einzigartige der Orgel in klanglicher Hinsicht ist darin zu sehen, dass sie gegen- über allen anderen Musikinstrumenten innerhalb ihrer geplanten, gegebenen (aber auch durch Umbau veränderbaren) Disposition die mannigfachsten Klangmischungen ermöglicht. Diese werden dadurch erreicht, dass über den Grundregistem (16', 8', 4') die Teilton- reihen in Obertonregistern (2', 1', Mixtur, Scharf u. a.) und Aliquotregistern (Quinten, Terzen usw.) planmäßig und je nach Orgelgröße mehr oder weniger dicht vertreten sind (Klangpyramide). Erhöht wird diese Farbpalette noch dadurch, dass die einzelnen Fußtonlagen nicht gleich-klanglich, sondern mit verschieden obertönigen Registern besetzt werden.
Die oben gemachten etymologischen Feststellungen weisen auf das Wesen der Orgel treffend hin:
Sie ist ein Instrumenten-Organismus, in dem mehrere Teil- Werke in funktionaler Beziehung zueinander stehen.

2. Aufbau der Orgel
Abgesehen von den Kleinformen der Orgel (Portativ, Positiv, Regal) umfassen die gebräuchlichen Instrumente 2 bis 5 Werke. Deren Benennung ergibt sich aus ihrer Klangfunktion und aus ihrer Aufstellung im Gesamt- Aufbau. Es ergeben sich folgende Möglichkeiten:
a) mit 2 Werken (1-manualig): Pedalwerk + Manualwerk
b) mit 3 Werken (2-manualig): Pedalwerk + Hauptwerk (Hw.) + Oberwerk (Ow.)
    Pedalwerk + Hw. + Rückpositiv (Rp.)
    Pedalwerk + Hw. + Brustwerk (Bw.)
    (Bw. und Ow. können als Schwellwerk gebaut werden)
c) mit 4 Werken (3-manualig):
    Pedw. + Hw. + Ow. + Bw.
    Pedw. + Hw. + Ow. + Rp.
    sowie andere Zusammenstellungen
d) mit 5 Werken (4-manualig):

    Pedw. + Hw. + Rp. + Bw. + Ow.
    (Bw. und Ow. sind auch als Schwellwerk ausgebildet)  

 

Schnitt durch eine Orgel (aus „Klinget wohl, ihr Pfeifen all“)
Angenommen sind die Teilwerke Hauptwerk, Brustwerk, Rückpositiv (in der Schnittzeichnung dargestellt) und Pedalwerk (außerhalb des Schnittbereichs links und rechts vom Hauptorgelgehäuse).
Zwischen Rückpositiv und Brustwerk: Organistenbank mit Spielnische. In dieser sind die drei Klaviaturen für die Hände, die Manuale, erkennbar. Von den Tastenschwanzenden führen die Trakturbahnen zu den Tonventilen der einzelnen Windladen.
Weil der Abstand der Tasten (= Tastenteilung) bei Haupt- und Rückpositivwerk enger ist als der Ab- stand der einzelnen Tonventile (=Ventilteilung), muss eine Verzweigerstation – genannt „Wellatur“, be- stehend aus Wellenbrett, Wellen samt Wellenhaltern und Wellenärmchen - in den Trakturverlauf eingebaut werden, die die Aufgabe hat, die oben genannten Teilungsdifferenzen zu überbrücken. Hinter bzw. unter den Manualklaviaturen sind die Koppeln erkennbar. Hier bedeutet z.B. III/lI so viel wie Brustwerk an Hauptwerk gekoppelt, II/Ped. Hauptwerk an Pedal. Auf den Windladen stehen die "Register" mit ihren verschiedenartigen Bauformen.

        Drucken